Sonntag, 22. Juli 2012

Das Leben, das uns bleibt

Vor ungefähr einem Jahr ist ein Asteroid auf den Mond aufgeschlagen und hat ihn dadurch näher an die Erde herangeschoben. Dies hat seine Anziehungskraft vergrößert und die Erde wurde daraufhin von Tsunamis, Erdbeben und Vulkanausbrüchen heimgesucht. Ein Großteil der Infrastruktur wurde zerstört und die Asche in der Luft sorgt dafür, dass die Sonnenstrahlen nicht mehr zur Erdoberfläche durchdringen.
In einer Kleinstadt kämpfen Miranda und ihre Familie ums Überleben. Es gibt so gut wie keinen Strom mehr und auch alle damit verbundenen Annehmlichkeiten des Lebens nicht mehr und sämtliche Ressourcen sind langsam aber sicher aufgebraucht. Einmal die Woche kann sich die Familie eine kleine Essensration im Rathaus abholen, die aber kaum zum Leben ausreicht. Miranda und ihre Brüder Matt und Jon sind gezwungen, in leerstehende Häuser einzudringen und zu plündern um sich über Wasser zu halten. Sie leben allein mit ihrer Mom, denn ihr Dad hat eine neue Frau, die ein Kind von ihm erwartete. Die beiden haben sich auf die Suche nach Verwandten aufgemacht. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen von ihnen. Das einzige, dass Struktur in Mirandas Leben bringt, sind die erzwungenen Unterrichtseinheiten ihrer Mom und ihr Tagebuch. Hier schreibt sie alles auf, das sie bewegt; nur für sich allein.
Im Mai brechen ihre Brüder zum Fischfang zu einem entfernt liegenden Fluss auf und kehren nach Tagen mit vielen Fischen zurück, die die Familie eine Weile ernähren können. Doch die beiden haben mehr als Nahrung dabei: Syl, ein junges Mädchen, das Matt aufgegabelt und beschützt hat und das er fortan zu seiner Frau erklärt. Nachdem die Familie den ersten Schock über das neue Familienmitglied überwunden hat, tauchen weitere Gäste auf: Mirandas Dad, seine Frau Lisa mit Baby und drei weitere Reisende. Einer davon ist Alex, ein Junge, wenig älter als Miranda, der schwer an der Last der Verantwortung für seine kleine Schwester Julie trägt. Trotz des großen Hungers der eigenen Familie gewährt Mirandas Mum allen ihre Gastfreundschaft. Und so versuchen alle miteinander auszukommen, was ihnen natürlich nicht immer gelingt. Wird die Familie überleben können? Und warum ist Matt so abweisend zu Miranda, wo doch alle davon überzeugt sind, dass diese ihm so wichtig sei? Werden sie zusammenbleiben?

Ich muss gestehen, der Roman beginnt sehr bedrückend. Das Szenario, das Susan Beth Pfeffer hier kreiert hat, könnte - im Gegensatz zu denen vieler anderer Dystopien - jederzeit Realität werden. Die Autorin kommt in ihrer Geschichte ganz ohne schrecklich entstellte Menschen, merkwürdige Kreaturen oder fremdartige politische Systeme aus. Sie schildert nur ganz deutlich, was passiert, wenn dem Leben die Energie der Sonne entzogen wird und sämtliche technische Errungenschaften der Gegenwart ausfallen. Und das macht den Roman so erschreckend real.

Miranda ist ein sehr sympathischer Charakter, das typische, freundliche Highschoolmädchen, hübsch, intelligent und normalerweise beliebt. Aber davon ist Miranda nur noch die Erinnerung geblieben. Ihre Freunde sind entweder tot oder fortgezogen, in der Hoffnung, woanders ein besseres Leben zu finden. Unterricht gibt es nur noch von ihrer Mom und jeder Unfall und jede Krankheit kann lebensbedrohlich werden. Nicht zu vergessen der Hunger, der seitdem ihr ständiger Begleiter ist.

Der Roman lässt sich flüssig lesen und hat mich durchweg gefesselt. Er ist in der Ich-Form, aus der Sicht von Miranda geschrieben, wodurch ich an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben konnte und oftmals mit ihr mitgelitten habe. Gleichwohl vermittelt die Autorin mit ihrer Schreibweise auch die Hoffnungslosigkeit, die sich bei den Charakteren breitgemacht hat, ihrer Angst vor einer Zukunft, falls sie denn überhaupt noch eine haben.
Besonder gut gefallen hat mir auch das Cover des Buches, dass sowohl den Mond, der ursächlich für die veränderte Lebensqualität der Charaktere ist, als auch den unfruchtbaren Boden und die ständig mit Asche geschwängerte Luft abbildet.
Der Roman hat mir außerordentlich gut gefallen und hat mich auch nach seiner Beendigung lange nicht losgelassen und mich gleichzeitig mit tiefer Dankbarkeit efüllt, für das Leben, das wir haben und meistens gar nicht zu schätzen wissen.