Ungefähr zwei Jahre sind vergangen seitdem Lara die düstergoldene Welt
von Ravinia für sich entdeckt hat. Inzwischen erlernt sie fleißig den
Beruf der Schlüsselmacherin und wird hierbei von ihrem Meister Tom
Truska vollauf unterstützt. Doch seit einiger Zeit geschehen merkwürdige
Dinge in Ravinia. Immer wieder verschwinden Menschen und tauchen einen
Tag später mit einer Gedächtnislücke wieder auf. Was passiert mit ihnen
in dieser Zeit?
Zudem kommt es zu Problemen in Epicordia. Hier lebt
das Mondvolk, tief unten in den Höhlen unter Ravinia. Auch Francesco
lebt dort und berichtet über zahlreiche mechanische Gottesanbeterinnen,
die sich in den unteren Höhlen befinden und niemanden durchlassen.
Hilfesuchend wendet er sich an Eusebius, den Gildemeister. Zu den nachfolgenden, geplanten
Ermittlungen werden neben Geneva und einer bisher noch nicht bekannten
Kommissarin, Lara und Tom hinzugezogen; doch es sind Schwierigkeiten zu
erwarten. Ravinia und Epicordia sind seit ewig im Clinch miteinander,
der von beiderseitiger mangelnder Toleranz geprägt ist. Es wird
schwierig sein, die Epicordier dazu zu bringen, in die Nachforschungen
einzuwilligen bzw. diese zu unterstützen. Und tatsächlich, gleich am
Anfang des Weges werden sie von einem Spinnenwächter, dem epicordischen
Äquivalent des Nachtwächters, angegriffen und es ist nur Francescos
beherztem Eingreifen zu verdanken, dass diese Begegnung glimpflich
abgeht.
Francesco bringt die Gruppe im Haus seiner Eltern unter, die davon nicht sonderlich angetan sind.
Und
so machen sie sich gemeinsam auf den Weg, das Geheimnis der
mechanischen Gottesanbeterinnen zu ergründen und müssen dabei so manche
Rückschläge einstecken. Wird es ihnen gelingen, die mechanischen Tiere
zu überwältigen? Und wer steckt hinter diesen gefährlichen
Konstruktionen? Könnte es sein, dass Roland Winter noch lebt?
"Epicordia"
ist der zweite Band der Reihe aus der Feder von Thilo Corzilius. Band
eins führte uns in die wunderbare Welt von Ravinia ein, die geschaffen
worden ist, für all die Menschen, die etwas Besonderes, sprich magisch
sind. Hier sind sie unter ihresgleichen und sind nicht wie in der realen
Welt im sozialen Abseits aufgrund ihrer Andersartigkeit. Dem einen oder
anderen scheint diese Welt jedoch bereits zu Kopf gestiegen zu sein,
denn ehe man sich versieht, befinden sich genau die Menschen, die einst
Außenseiter waren und denen Unrecht getan worden ist, weil sie anders
sind, genau an der Stelle der Menschen, die sie einst verabscheut haben.
Nun sind sie es, die auf andere herabschauen, sie ausgrenzen und
deklassieren. Und ein Teil ihrer Opfer sind das Mondvolk aus Epircordia,
die sich stolz in ihren eigenen Lebensbereich zurückgezogen haben und
nur allzu menschlich wiederum die Menschen aus Ravinia ausgrenzen und
dabei so gut wie nie in ihre Welt Einlass gewähren.
Doch auch
untereinander haben sich die Menschen in Ravinia mit ihren
selbstgeschaffenen Regeln und Gesetzen oftmals aneinander schuldig
gemacht, und zwar der Engstirnigkeit und Intoleranz. In "Epicordia" wird
ein Teil dieser Geschichten erzählt und macht den Leser nachdenklich
hinsichtlich der Intoleranz, die vermutlich in jedem von uns wohnt und
welche Folgen es haben kann, wenn man sie nicht zügelt.
Es war
sehr schön, viele alte Bekannte aus dem ersten Band wiederzutreffen. Die
meisten Charaktere haben sich inzwischen weiterentwickelt oder sind
zumindest auf einem guten Weg dorthin. Allen voran natürlich Lara, die
fleißig bemüht ist, ihr Talent zu nutzen und von dem Wunsch beseelt ist,
die beste Schlüsselmacherin aller Zeiten zu werden. Stets bemüht das
Richtige zu tun, ist sie durchweg sympathisch, wenn auch immer noch ein
wenig impulsiv.
Auch Lee hat in seiner Ausbildung zum Wahrsager schon
viel gelernt, das im Laufe der Geschichte sehr nützlich ist. Trotz
seines eigenen traurigen, familiären Schicksals bleibt er stets
optimisch und gibt nahezu alles, um seine Freunde zu beschützen.
Tom
Truska hat sich längst in seine neue Position als
Schlüsselmachermeister eingefunden und ist stets bemüht, Lara zu
fördern. In "Epicordia" taucht er immer weiter aus seiner
selbstgewählten Isolation auf und bleibt dabei doch auch stets ihr
Lehrer und Beschützer.
Doch natürlich kommen auch neue Verbündete und Gegner hinzu, die das Gesamtbild der Charaktere wunderbar abrunden.
"Epicordia" las sich genauso wie sein Vorgänger förmlich in einem weg.
Der Schreibstil ist stets flüssig und durchweg spannend. Ich habe mich
unheimlich schnell in der Geschichte wiedergefunden und war gefesselt
von den rasanten Geschehnissen. Auch die kleinen, feineren und oftmals
nachdenklichen Momente, die die Reihe für mich so besonders machen,
kommen nicht zu kurz. Ebensowenig wie die Liebe, die in Laras Welt
Einzug gehalten hat, jedoch nicht wild und stürmisch daherkommt, sondern
leise und vorsichtig.
In seinem Nachwort zum Buch deutet Thilo Corzilius an, dass zumindest
noch eine weitere Fortsetzung geplant ist und ermöglicht dem Leser einen
kleinen Ausblick auf den Inhalt eines eventuellen dritten Bandes.
Hierauf hoffe ich sehr, denn mir gefällt die Reihe ausgeprochen gut.
Zudem hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass sich der Autor, wenn
überhaupt möglich, beim zweiten Band sogar noch gesteigert hat und mich
nunmehr vollends in die Welt von Ravinia hineingezogen hat. Ich bin sehr
gespannt, ob Thilo Corzilius das in einem weiteren Band noch toppen
kann. Freunden von Jugendfantasyromanen, die Wert legen auf Geschichten
mit Tiefgang, kann ich "Epicordia" - selbtverständlich erst nach dem
Lesen von "Ravinia" - nur uneingeschränkt empfehlen.